Mittwoch, 15. Dezember 2010

Titel

Nichts

Rührstück in 4 Szenen. Von Klaus Peter Buchheit

1. Szene

Szene 1:


Auf der Bühne Stühle. Am linken Rand ein Stapel von Holzscheiten aus zersägten Stühlen. Mann (M) und Frau (F) auf dem Boden. Sie zersägen einen Stuhl. Am rechten Rand ein Automat in der Größe u. Form eines Getränkeautomaten. Darin eine Person (A). Hinten an der Wand sitzt Gott (G) auf einem Stuhl.


M:

Was ist los?


F weint:

Nichts. Mir ist was ins Auge gekommen.


M:

Glaub ich nicht. Du warst gestern schon so.


F:

Wie war ich? Wie war ich denn schon wieder?


M:

Na, gestern Abend im Restaurant. Du hast im Essen gestochert.


F:

Ich hab nicht im Essen gestochert. Ich habe ganz normal gegessen. Im Gegensatz zu dir. Du hast anscheinend lieber mir zugeschaut, als zu essen. Deine Kartoffeln waren nur noch Matsch. Dein Steak ein Schlachtfeld.


M:

Ich hab dir nicht zugeschaut. Aber es fiel auf. Du hast das Gemüse mit der Gabel sortiert. Fein säuberlich. Es fiel mir auf. Auch danach am Tresen.


F:

Nein. Nicht mehr als du. Außerdem hast du zu viel getrunken.


M:

Was willst du damit sagen?


F:

Nichts. Nichts will ich sagen. Halt gefälligst die Säge gerade. Sonst verklemmt das Blatt.


M:

Ist eine Scheißsäge.


F:

Sie ist von meinem Vater. Es ist eine gute Säge.



M:

Sie hat Macken.


F:

Du hast Macken.


M:

Lass uns eine Neue kaufen.


F:

Nein. Damit hat mein Vater gesägt. Hat Bäume zersägt. Große Bäume. Ich hab ihm geholfen. Er hat mir gezeigt, wie man Baumstämme schultert u. wie man Scheite spaltet. Wie man ein Feuer entfacht u. es am Brennen hält. Wir saßen vor dem großen Ofen u. starrten ins Feuer, betrachteten die Glut, das Aufglimmen u. Verlöschen. Hörten das Knacken des Holzes u. das Aufzischen des Harzes.


M:

Aber es gibt bessere.


F:

Ich will keine bessere.


M:

Du weinst schon wieder. Was ist los?


F:

Nichts


A:

Das Passwort ist korrekt. Sie sind eingeloggt.


M/F:

Wie bitte.


A:

Sie sind eingeloggt. Das Passwort ist korrekt.


M:

Was ist das denn für ein Ding? Ist das auch von deinem Vater?


F:

Ich kenn das nicht. Es stand doch schon immer da.


M:

Halt die Säge gerade.


A:

Das Programm startet. Bitte sprechen Sie jetzt.


M:

Was soll ich denn sagen?


F:

Dir fällt wieder nichts ein.


M:

Du musst es ja wissen. Hast du etwas gestern Abend etwas gesagt. Legtest die Bohnen in Reih und Glied u. schwiegst, als hättest du nie sprechen gelernt. Es war zum Lachen. Es war zum Weinen.


F:

Und du? Was war am See? Zweimal umrundeten wir den See u. du sagtest kein Wort.


A:

Der See ist die Trübung deines Lebens. Die meisten sprechen vergebens.


M:

Sehr lustig. Der Apparat ist ein Philosophiestudent.


A:

Durst ist die Trübung deines Lebens. Du trinkst das Wasser vergebens.


F:

Ich lach mich tot. Eine Reimmaschine.


A:

Die Säge streicht die Konkubine blau an und wird zur Liebesmaschine. Die Tränen sind die Nahrung von Schwänen.


F:

Etwas holprig noch.


A:

Ich lerne.


F:

Weißt du auch einen Reim auf die Liebe?


A:

Das ist der Befehl. Wie Sie wünschen. Keine Reime mehr. Bitte sprechen Sie.


M:

Warum keine Reime mehr?


A:

Liebe hat keinen Reim. Die Bäume stechen den Himmel. Die Erde ist sein Nagelbrett.


F:

Kann man den nicht ausstellen?


A:

Das ist nicht Ihr Wunsch.


F:

Woher willst du das wissen?


A:

Ich weiß alles.


F:

Wozu?


A:

Um es zu sagen. Sie sprechen ja nicht.


M:

So, du holpriger Philosophiestudentendichter, du weißt also alles. Sage mir, wer bin ich denn?


A:

Mann.


F:

Ha, dass ich nicht lache. Der u. ein Mann.


M:

Still. U. wer ist sie?


A:

Frau.


F:

Endlich sieht das mal jemand.


A:

Sie tut nur so.


F:

Wie bitte?


A:

Sie tun nur so.


M:

Wer? Sie?


A:

Nein. Sie.


F:

Wer? Ich?


A:

Nein. Sie beide.


M/F:

Wir?


A:

Ja.


M:

Woher willst du das wissen. Du bist nur ein Ding.


A:

Ich bin euer Ding.


F:

Du bist unser Ding? Jetzt haben wir’s. Jetzt haben wir ein Ding. Das ist ein Ding. Er hatte ja schon immer ein Ding. Zumindest vor seinen Freunden. Diesen sauberen Freunden. Ein Dingelchen da.

(F lacht)

Aber dass ich jetzt auch ein Ding haben soll. Das ist ein Ding.

Was bist du denn für ein Ding?


A:

Ich sagte es. Euer Ding.


M:

Ich hol die Axt.


A:

Ihr zerlegt die Möbel nicht wirklich.


F:

So meinst du. Und was ist das da?

(F zeigt auf die Holzscheide)

Es ist unsere Arbeit. Du hältst uns übrigens vom Arbeiten ab.


A:

Ihr arbeitet nicht. Ihr verweigert euch.


M:

Das wird immer besser. Aber habe ich es nicht gesagt. Wir brauchen eine neue Säge. Das Ding da sagt es. Wir verweigern uns. Das liegt an der gottverdammten Säge.


G hustet.


M:

Nur an dieser Scheißsäge. Das Ding weiß alles. Du hast es gehört. Das Ding hatte es gesagt.


F weint:

Es gibt keine neue Säge. Das ist die Arbeit. Es ist unsere Arbeit. Es ist eine gute Arbeit. Wir können davon leben. Wir sollten uns von dem Ding da nicht stören lassen. Wir sollten weiter machen. Sonst verlieren wir noch unsere Arbeit. Und was ist dann? Dann geht es uns wie den anderen.


M:

Hör auf mit der Flennerei. Warum weinst du überhaupt? Wegen der Arbeit? Die verlieren wir eh, wenn wir keine neue Säge besorgen. Was ist also los?


F:

Nichts.


M:

Ich frag das Ding. Was hat sie?


A:

Nichts.


M:

Du bist parteiisch.


A:

Ich bin neutral. Ich gehöre euch beiden. Ich bin euer Ding.


F die Tränen abwischend:

Und warum bist du da?


A:

Das wisst ihr. Sonst wäre ich nicht euer Ding.


F auf M zeigend:

Was denkt er?


A:

Nichts.


F lacht:

Das habe ich gewusst.


A:

Natürlich. Ich bin ja schließlich euer Ding.


M:

So. Ich denke also nichts. Das ist nicht nett von dir. Du bist nicht mein Ding.


A:

Doch, bin ich. Aber nett zu sein ist nicht Teil meines Programms. Ich bin euer Ding.


M:

Du könntest lernen. Du hast gesagt, du lernst.


A:

Wir werden sehen.


M:

U. warum meinst du also, dass ich nicht denke?


A:

Wegen ihr.


M:

Wegen ihr?


F lacht:

Wegen mir?


A:

Wegen dir.


M:

U. warum, mein liebes Ding, denkst du, dass ich nichts denke?


A:

Ich sagte es bereits: Wegen ihr.


M:

Gut. Lassen wir das. U. denkt sie?


A:

Ja.


F:

Siehst du!


M:

Ja.


A:

Nein.


M:

Was nein?


A:

Siehst du nicht.


M:

Wieso nicht?


A:

Du bist blind.


M:

Ich bin blind?


A:

Ja.


M:

Warum?


A:

Vor Liebe.


F:

Vor Liebe? Der u. Liebe. Dass ich nicht lache. Wir sind hier, um zu sägen.


A:

Nein.


F:

Ach, sind wir nicht? Warum nicht?


A:

Ihr zersägt die Stühle, auf denen ihr sitzt.


M:

Das ist doch unser Ding.


A:

Ich bin euer Ding.


G steht auf:

Was ist das für ein Lärm?


F:

Wir unterhalten uns.


G:

Ihr sollt doch sägen. Das ist nämlich Musik in meinen Ohren.


F:

Siehst du. Es ist Arbeit. Der da sagt es.


A:

Sagte er nicht. Außerdem weiß der da nichts. Er ist nicht euer Ding.


G:

Das ist die Höhe. Du bist nicht von mir.


A:

Stimmt. Ich bin ihr Ding, nicht deins.


F leise:

Lass uns wieder sägen!


M weinend:

Ich will nicht mehr.


F:

Was ist jetzt schon wieder los?


M:

Nichts.


F:

Glaub ich nicht. Ich frag unser Ding. Wozu ist es denn da? Dingsda, du Ding da, was ist los mit ihm?


A:

Nichts.


F:

U. warum weint er?


A:

Weil nichts los ist mit ihm.


G:

Ihr macht so unglaublichen Lärm. Mein Schädel brummt. Ich war die Nacht über saufen.


M:

Welche Nacht? Hier ist nie Nacht.


G:

Die Nacht davor.


M:

Welche Nacht davor?


G:

Die Nacht davor eben. Außerdem sollst du Gott nicht widersprechen. Deinem Gott geht es heute ein bisschen gar nicht so gut. Habe Erbarmen mit ihm.

(G lacht)


M:

Du bist nicht mein Gott.


G:

Mein Gott, mach halt nicht so einen Lärm.


F auf M zeigend:

Ach, ist er jetzt dein Gott?


A:

Nein.


M:

Wer hat dich gefragt?


F auf G zeigend:

Bist du mein Gott?


G:

Natürlich.


A:

Nein.


F:

Sei still. Ich hatte noch nie einen Gott.


A:

Eben. Aber ein Ding.


F lacht:

Auch nicht. Ich bin doch eine Frau.


A:

U. ich bin dein Ding. Dein sprechendes Ding.


F:

Ich bin aber schon ein großes Mädchen. Ich kann selber sprechen.


A:

Nein.


F:

Mein Gott, du nervst.


G:

Ich hab nichts gemacht.


F:

Du bist auch nicht mehr mein Gott.


G:

Willst du mich traurig machen. Ich bin eh schon so allein. Es ist schwer, ein Gott zu sein.

(G weint)


A:

Das ist geklaut.


G:

Gott darf alles.



M:

Mein Gott, hör auf zu flennen.


F:

Er erinnert mich an jemanden.


M:

An wen?


F:

Psst. Nicht so laut.


A:

An …


F:

Halt’s Maul!


A:

Du bist nicht nett zu deinem Ding.

(A weint)


M:

Jetzt fängt der auch noch an. Was ist los?


A:

Nichts.


G:

Nichts.


M:

Das kommt mir bekannt vor.


F:

Doch. Ich kenne dich, Gott. Ich hab dich schon mal gesehen.


G:

Ich weiß, mein Kind.


M:

Wie, du kennst den alten, verrückten Sack?


G:

Du kennst mich auch. Ich bin nämlich eure Liebe.


M:

Mein Gott, das kannst du den Kindern erzählen.


F weint


M:

Du nicht auch schon wieder. Was ist los?


F:

Nichts.


A:

Nichts.


M:

Dich hab ich nicht gefragt.


A:

Aber du wolltest.


M:

Woher willst du das wissen?


A:

Ich weiß alles.


M:

Dann weißt du sicher auch, ob er Gott ist.


A:

Ja.


M:

Witzbold. Und? Ist er’s?


A:

Er ist nichts.


M:

Was nun?


A:

Er ist Nichts.


M:

Also nicht Gott. Dann können wir nämlich endlich aufhören zu sägen.


A:

Er ist Gott.


F:

Mein Gott.


M:

Ich dachte, er sei Nichts?


A:

Du denkst nicht. U. er ist Nichts. Ich sagte es bereits. Deshalb denkst du nicht.


G:

Ich bin aber die Liebe.


A:

Nein.


G:

Doch.


A:

Nein.


F:

Hört auf zu streiten. Helft uns lieber, die Stühle zu zersägen.


G:

Ein Gott macht so was nicht.


A:

U. ich bin euer Ding. Ich säge nicht.


F:

Ich säg dich gleich auseinander. U. du, du erinnerst mich an meinen Vater.


G:

Kind, ich bin dein Vater. Ich gab dir die Säge.


M:

Das ist ja ein Ding.


A:

Nein, ich bin euer Ding. Die Säge ist nicht von ihm.


G schlägt F auf den Arsch:

Natürlich ist die Säge von mir. Das ist mein Ding. U. ihr beide müsst es mir machen, besorgen, richtiggehend u. ununterbrochen. Ich bin die Liebe. Also Schluss der Debatte. Ich habe Schädelweh. Sägt wieder. U. du

(G zeigt auf A)

du bist ganz u. gar nicht mein Ding.


A:

Stimmt.


M:

Säg dir doch selber einen, du alter, verrückter Sack. Du schmieriges Stück Scheiße.


G lacht:

So seid ihr immer. Dann gib schon her. Du wirst sehen, was du davon hast.

(G nimmt die Säge. Hält sie F hin)

Komm, greif zu.


F:

Du musst aber die Säge gerade halten.


G u. F sägen


F weint


M setzt sich auf Gs Stuhl


G:

Fester.


A:

Das ist das Passwort. Ich deaktiviere mich.


G:

Endlich hält der sein Maul. Los, mach fester.


F:

Ich kann nicht mehr.


G:

Stell dich nicht so an. Gestern Nacht konntest du auch.


F:

Welche Nacht?


G:

Die davor.


F:

Ich erinnere mich an keine Nacht.


G:

Aber ich.

(G lacht obszön)


F weint


G:

Warum weinst du? Was ist los?


F:

Nichts. Mir ist etwas ins Auge geflogen.

2. Szene

2. Szene



Die Bühne ist leer. Am rechten Rand eine Aufzugstür, darin A. Rechts dahinter M. Vor der Aufzugstür G und F.


F:

Gustav kommst du?


G:

Ich heiße nicht Gustav.


F:

Aber natürlich heißt du Gustav. Jetzt komm. Wir haben Schichtwechsel.


G:

Ich heiße nicht Gustav.


F:

Wie sonst?


G:

Hab ich vergessen. Ich so vergesslich geworden. Die Löcher nehmen zu. Dunkelheit dringt in mich ein. Löscht mich aus.


F:

Red nicht so theatralisch daher. Du wirst alt, das ist alles.


G:

Auch mein Alter habe ich vergessen. So alt bin ich schon.

Gustav ist nicht mein Name.


A:

Stimmt.


F:

Wer spricht da? Die Stimme kommt mir bekannt vor. Vater bist du das?


A:

Nein.

Ich bin es.

Dein Vater ist schon lange tot.


G:

Du.

Schon wieder. Aus dir kommt nicht Gutes.


A:

Nur deine Kollegen.


G:

Du bist das also.


F:

Du?


A:

Ich. Ja. Der Aufzug. Die Maschine. Ich brauche das Passwort.


F:

Aber du kennst uns doch.


A:

Trotzdem.


G:

Nein. Nein. Nein. Dann fängst du wieder mit dem Reimen und Dichten an und dem philosophischen Gewäsch, das selbst Götter nicht verstehen.


A:

Du musst es ja wissen.


G:

Wie bitte?


A:

Poesie schadet nie.


G:

Geh’, hör schon auf. Wir haben das Passwort nicht genannt.


M im Aufzug hockend:

Mein Gott. Mein Gott.


G:

Wer ist der Kerl?


F:

Ich weiß nicht, aber er kommt mir bekannt vor.


M:

Erst wenn der letzte Stuhl zersägt ist, wirst du wissen, was unter der Wasseroberfläche ist.


F:

Wie bitte?


M:

Erst wenn die Säge keine Zacken mehr hat, fallen sie dir nicht mehr aus der Krone.



F:

Wie bitte? Wirst du auch noch frech? Du weißt nicht, was sich gegenüber einer Frau gehört.


G:

Ha!


M leise:

Und wie ich das weiß!

M laut:

Der Frau gegenüber gehört es sich, ein Mann zu sein.


F lachend:

Dass ich nicht lache. Von welchem Planeten kommt der denn her?


M:

Direkt von deinem. Weißt du nicht mehr? Wir haben Stühle zersägt. Schöne Holzstühle aus den Wäldern deines Vaters. Geschnitzt aus dem Holz deines Vaters.


F:

Um Gotteswillen, ich habe noch nie Stühle zersägt.


M:

Doch! Mit einer alten u. kaputten Säge. Sie gehörte ebenfalls deinem Vater. Deinem sauberen Vater.


F:

Mit dem hab ich nichts mehr zu tun. Ich ging aus dem Haus u. schlug nicht einmal die Tür hinter mir zu.


M:

Du gingst in seinen Vorgarten u. kümmertest dich um die Hecken, die verbergen sollten, was da geschah.


F:

Ich habe jetzt meinen Gustav.


G:

Ich heiße nicht Gustav!


F:

Meinen Gustav.

(F schmiegt sich an G)

Erinnere mich also nicht an den Alten. Ich habe keinen Vater mehr.


G:

Hör auf. Wer ist der Kerl?


F:

Niemand.



A:

Das ist der Mann.


F:

Aha.


A:

U. du bist die Frau.


G:

U. ich bin dann wahrscheinlich Gott oder wie?


A:

Genau.


G lacht:

Der spinnt.


A:

Genau.


M:

Du weinst gar nicht.


F:

Ich weine nie. Ich habe nie geweint. Red nicht so saudumm daher. Waren wir zusammen in der Schule? Das ist’s. Wir waren zusammen in der Schule. Du warst der Streber von der letzten Reihe, der mich immer beobachtet hat. Du bist doch der Gustav?


G:

Ich bin Gustav!


F:

Ich dachte, du bist nicht Gustav. Jetzt also auf einmal doch. Kannst du dich bitte mal entscheiden. Wie soll man denn so Ordnung ins Leben kriegen?


G:

Nein. Ja. Nerv nicht.


M:

Ich bin auch nicht Gustav.


A:

Er hat Recht.


G gespielt erleichtert:

Dann bin ich also auch nicht Gott.


A:

Doch.


G:

Der spinnt doch komplett. Da ist doch was durchgebrannt.


A:

Noch nicht.


G:

Der spinnt.


A:

Genau.


M:

Wo wollt ihr denn hin? Es ist schon spät.


F:

Wie haben Schichtwechsel. Nach unten.


G:

In die Tiefe.


M:

Was um Himmelswillen wollt ihr denn ausgerechnet da?


F:

Da gibt es immer etwas zu erledigen.


G:

Ich war da schon lange nicht mehr. Mich zog’s himmelwärts in die Fremde. Es konnte nicht fremd genug sein. Im Himmel liegt das Vergangene.


A:

Stimmt. U. im Keller liegen die Geschichten von morgen.


G:

Ich komme aus der Nacht.


M:

Aus welcher Nacht.


G:

Aus der Nacht davor.


F:

Das sagst du immer. Überleg dir doch mal einen neuen Spruch.


A:

Mit dem richtigen Passwort könnte ich helfen.




F:

Du bist ganz u. gar nicht mein Ding. Du bist nur kalt u. mechanisch u. äußerlich. Du kennst das Innere nicht.


A:

Doch. Erinnerst du dich nicht?


F:

Ich kenn dich nicht. Ein sprechender Aufzug. Das hat’s ja noch nie gegeben.


G:

Stühle zersägen. Finde ich eigentlich eine lustige Idee. Hast du wirklich keine Säge?


F:

Nein.


A:

Hat sie. Sie versteckt sie unter den Kleidern. Noch je hatte sie etwas zu verbergen. Sie stand in der Ecke u. hielt die Arme um sich verschränkt u. zitterte u. hielt sich an der Säge fest. Niemand durfte es sehen. Aber es geschah so.


G fasst ihr an den Rock, will ihn hochheben.


F:

Lass das. Darüber sind wir hinaus. Das haben wir besprochen.


G:

Wir haben was besprochen? Ich erinnere mich nicht. Was habe ich denn gesagt?


F:

Dass es jetzt gut ist u. du dich ausruhen willst. Dass du eine Ruhe willst. Deshalb ging ich mit dir mir. Dass endlich eine Ruhe einkehre. Dass endlich ein Moment sei, in dem wir am Fenster stehen könnten u. rausschauen u. müssten nicht hinaus wollen. Immer nur hinaus wollen. Was ist denn da draußen? Da ist doch nichts. Bei uns wäre alles gewesen. Wir hätte da stehen können u. schauen u. wären ruhig u. satt gewesen. Es hätte nicht gerufen u. es hätte nicht an meinen Kleidern gezogen u. es hätte mir nicht die Eingeweide aufgefressen. Da wäre nicht so ein Verlangen gewesen u. so ein Es-nicht-können, so ein Nicht-von-der-Stelle-sich-rühren-können, obwohl man nichts anderes will, als auf der Stelle stehen bleiben zu können. Dann hätte man wenigsten was gehabt, eine Stelle gehabt, auf der man dann gestanden hätte, so mit beiden Füßen auf dem Boden, so mit den Händen am Heizkörper u. da wäre Wärme drin geflossen u. hätte uns gewärmt, man hätte sich nicht mehr bewegen müssen u. wäre doch so ganz am Leben gewesen, so richtiggehend lebendig, so außerordentlich empfangsbereit, nahezu zueinander wäre man da gewesen. Aber dann wusstest du nichts mehr sagen. Aus dir kam nichts mehr. Du bist so unendlich leer. So unendlich nicht fassbar. So unendlich nicht da. Wenn du da bist, habe ich immer das Gefühl, dass du nicht da bist, so gänzlich woanders, so unumwunden deplaziert.

Doch du lamentiertest nur, du hättest genügend gezeugt, du hättest das alles ja gezeugt, also hast du auch die Verlassenheit gezeugt.

Erinnere dich, wie wurden platonisch, wir wurden eine Josephsehe. Du bist nur da, damit du da bist, doch wenn du da bist, bist du nicht da.


G:

Nein. Nein. Nein. In der Nacht davor, da hab ich dir doch mein Ding, mein großes, weltallriesiges Ding gezeigt.


A:

Ich bin größer.


G:

Halt du dich da raus!


M:

Ich will eure Schweinereien nicht hören. Eure seltsamen Spielchen u. Mätzchen u. Sperenzchen. Ich will das nicht hören.


F:

Nein, nein, nichts hast du mir gezeigt. Mein Vater hatte mir seins gezeigt. Die Sau. Seitdem interessieren mich die Dinge nicht mehr. Nur eine Ruhe, die habt ihr mir nicht gezeigt. Auch keinen Trost. Da war kein Trost, kein Sagen, setz dich auf den Stuhl, ich pass schon auf, dass nichts passiert. Ja, es ist nichts passiert. Aber hätte ich das wissen können? Wie nur hätte ich das wissen können? Dass du sowieso geradezu unfähig bist, etwas passieren zu lassen. Deswegen verdrehte sich das Innere u. wollte hinaus, sich hinaus aus diesem gesichtslosen Fenster stürzen.


A:

Dein Vater war ein Schlappschwanz, er hat immer nur gesägt.


F:

Mein Vater sägte nicht, er war ein großer Mann in der Bank.


A:

Er war ein hündischer Pisser vor dem Baumstumpf.


G:

Vor dem Herrn bittschön. Vergesst mir den Herrn nicht.


F:

Seit wann bist du denn so drauf?


M:

Verlass diesen Kerl!


F:

Nein. Meinen Gustav? Niemals.


M:

Verlass ihn. Du musst sägen. Er sägt nicht. Aber du musst sägen. Wenn du aufhörst zu sägen, wirst du nicht mehr du selbst sein.


G:

Ich kann auch sägen, so ist das nicht. Ich liebe sogar das Geräusch des Sägens. Das Geräusch der Sägeblätter im Holz, wenn sie es auseinandersägen.


A:

Du ängstigst dich doch vor jedem Gerät. Du würdest dir alle Finge abschneiden. Du machst dir doch in die Hose. Geräte; Maschinen: Ich; wir sind nicht dein Ding. Du hast gar kein Ding. Dein Ding ist dir abgefallen, u. du lässt es zersägen.


G:

Was schwätzt der da?


F:

Können wir langsam vielleicht mal fahren?


A:

Wie du willst. Du musst nur akzeptieren, dass ich dein Ding bin.


M:

Lass den da zurück. Lass den Pisser, den Hosenscheißer zurück.

(Leise)

Ich bitt dich.


G:

Pass auf, ich verfluche dich.


M:

Du bist der Falsche.


G:

Aber du bist der Richtige?


M:

Ich bin der Mann u. sie ist die Frau.


A:

Genau.


G:

Hör mit der Reimscheiße auf!


F:

Mit mir redet gar niemand mehr.


A:

Ich muss weinen.


F:

Aufzüge weinen nicht.


Es tropft im Aufzug.


A:

Doch. Siehst du.


F:

Was ist denn?


A:

Nichts.


M:

Das kommt mir bekannt vor.


G:

Jetzt ist aber alles gut.


F:

Lass deine Sprüche.


M:

Ich komme mit.


A:

Ich auch.


F:

Das will ich doch hoffen.


G:

Muss das sein?


A:

Muss.


G:

Du weißt sowieso das Passwort nicht. Du dürftest nicht reden.


A:

Du hast mir nichts zu sagen.


M leise:

Schieß die beiden in den Wind u. komm mit mir mit.


F:
Wie stellst du dir das denn vor? Wir müssen den Aufzug nehmen u. er fährt nur in den Keller.


M:

Bist du sicher?


F:

Ich werde doch noch mein eigenes Haus kennen.


G:

Dein Haus. Das ist mir neu.


F:

Doch. Das hab ich geerbt.


G:

Von wem?


F:

Von meinem Vater.


G:

Ich dachte, mit dem hast du nichts zu tun?


F:

Aber das Haus nahm ich trotzdem. Es ist das mindeste. Wo hätte ich auch sonst hin sollen? Er hätte mir allerdings einen Palast vermachen müssen.


M:

Nie zufrieden.

(beiseite)

Ich liebe sie trotzdem. Es wird nicht gut gehen. Trotzdem.


F:

Was murmelst du da?


A:

Er liebt dich.


M:

Halt die Fresse, du Absturzgerät.

Glaub dem nichts.

Ich dachte, du wärest mein Ding u. jetzt verrätst du mich.


A:

Du bist schon lange verraten.


G:

Ja, er ist ein Verräter.


A:

Nein du.


G:

Du bist nicht mein Ding, also schweig.


M:

Was ist im Keller?


F:

Nichts. Wieso?


M:

Wieso wollt ihr dann hin?


F:

Wo sollen wir sonst hin?


M:

Nun.


F:

Du weißt doch. Schon vergessen, es gibt …


G:

Sag das dem nicht. Sonst kommt er wirklich mit.


A:

Die Zeit ist um. Ich bin jetzt bereit.


F:

Jetzt.


G macht eine Geste.


F schweigt


M zieht seine Beine an. Alle steigen ein. Tür zu.


A:

U. los geht’s.

3. Szene

3. Szene


Ein weißer Raum. An der linken Wand ein Koffer, daraus läuft rote Flüssigkeit aus. Der Automat steht im linken Eck. Im rechten Eck kauert G auf dem Boden. An der rechten Wand M. F in der Mitte des Raumes auf allen Vieren. Sie wischt mit einem kleinen Lappen den Boden.


G:

Mach das weg. Mach das weg. Los mach das weg. Ich ertrage diese Realität nicht. Ich ertrage die Farblichkeit nicht. Weiß muss es sein. Die Tiefe muss weiß sein. Weiß u. rein. Mach das weg. Lasst mich hier verharren. Stellt den Automaten vor mich hin. Auch wenn ich ihn nicht leiden mag, er wird mich schützen. Mach das weg, Frau!


F:

Ich mach ja schon. Mein Gott, reg dich doch nicht so auf.


M:

Aber das ist doch nur rote Farbe, die da ausläuft. Ich schau mal nach.

(bewegt sich nicht)


A:

Nein. Das darf man nicht.


M:

Warum nicht?


A:

Weil man es nicht darf.


F singt:

Draußen auf dem Land, da hab ich einen gekannt, der sang, wie keiner kann, der sang wie’n richt’ger Mann.


G:

Du bist ja fröhlich.


F:

Man muss das Schreckliche sich schön gestalten, dann geht es locker von der Hand.


G:

Ja, das Schreckliche. Es ist schrecklich. Es erinnert mich an etwas. Ich weiß nicht an was, aber das ist keine rote Farbe. Mir träumte, da liefe etwas aus, das liefe aus mir, u. es floss in die Luft u. alles wurde schwer u. verhangen. U. da waren Schreie. Piepsende Schreie. Ich schlug um mich. Ich rannte davon. U. am Ende war ich bei euch. Nach der Nacht. U. saß auf dem Stuhl.


A:

Doch. Es ist abwaschbare, rote Farbe. Deswegen wäscht sie es ab.


F singt:

Draußen in der Stadt, da wusst ich, was ich hat, da hat ich einen, der kann, da hat ich nen richt’gen Mann.


M auf A zeigend:

War das nicht sein Metier? Aber der alte Kasten ist ein wenig maulfaul geworden. Die Tiefe bekommt ihm nicht.


A:

Ich kenne keine Tiefe. Wir sind so tief als wie zuvor. Ihr wollt immer nur anderes glauben.


G:

Mir träumte, ich spielte als kleines Kind im Sand u. formte Figürchen u. darüber freute ich mich so sehr, dass ich springen musste. U. dabei trat ich auf die Figürchen u. konnte plötzlich fliegen u. flog in die Höhe u. es wirbelte mich davon, direkt in die Wolkendecke hinein. Da lag ich dann wie ein Greis, der schlottert u. Gespenster sieht.


M:

Jetzt fängt der auch noch an. Die Passwörter sind zu einfach.


A:

Es sind immer die Wörter der Sehnsucht.


M:

Ach, u. wie lautet dann meins?


A:

Das weißt du.


F weint:

Draußen auf dem Mond hab ich einem beigewohnt, der wusste, was er kann, es war im Mond der Mann.


M lacht:

Warum weinst du? Da ist nur der dran Schuld. (Auf G zeigend)


F:

Ach, der. Ja. Vielleicht ist er dran Schuld.


A:

Nein.


G:

Was schwätzt ihr da? Du sollst putzen. Vorher hab ich keine Ruhe. Ich kann das Rot nicht mehr sehen. Es erinnert mich. Es erinnert mich an eure Ehekriege. An eure Lügen. Ihr lügt auch mich an.

Du (auf F zeigend), du lügst. Du lügst ununterbrochen u. sagst noch schamlos, du bekennest alles.


A:

Sie lügt nicht.


M:

Was ist los mit euch?


G/F:

Nichts.


M:

Klar. Das kenn ich schon.


A:

Nein.


M:

Wollt ihr nicht lieber schauen, was in der Kiste ist?


A:

Das darf man nicht.


M:

Warum?


A:

Dann läuft alles raus.


M:

Ich schau gleich, was in dir ist, du verhinderter Kaffeeautomat.


A:

In mir ist nichts. Ich bin nur ein Kasten.


M:

U. das ist nur ein Koffer?


A:

Ja.


M:

U. was ist so besonderes an dem Koffer?


A:

Er ist besonders.


M:

Ja. Er nässt. Er pisst Rotes. Nierenkranker Koffer.


A:

Nein. Lass ihn in Ruhe.




F singt:

Ich las einst ein Buch, das sagte deine Worte, ich wartete auf Besuch an unsrer Sehnsuchtspforte.


M:

Gott!


G:

Ja?


M:

Was willst du denn?


G:

Nichts.


A:

Stimmt nicht. Er lügt.


G:

Ich lüge nie.


A:

Du bist die Lüge.


G:

Ach Gott, wie oft hab ich das schon gehört.


A:

Stimmt.


F singt:

Ich nahm einst eine Hand, die fasste feste zu, ein unzerreißbares Band, auf dem geschrieben stand: du


M:

Der steigt das Putzen in den Kopf.


F:

Hörte es auf, wäre es unerträglich.


A:

Stimmt.


G:

Nein, mach das weg, mach’s weg. Es erinnert mich an einen Traum: Ich lag auf einer Wiese u. da fiel die Erde über mich u. aus der Erde sickerte es rot. U. viele Jahre musste ich von dem Rot leben, die Hände fest ins Erdreich verkrallt.


A:

Der ist nicht besser als ich.


G:

Ich schalt dich gleich aus.


A:

Nicht möglich. Das liegt nicht in deiner Macht.


G:

Was weißt du schon! Ich würde es nicht darauf anlegen. Der da (auf M zeigend) hat es auch nicht kapiert.


M:

Mir steht jedenfalls nicht der Angstschweiß auf der Stirn.


G:

Das ist normal. Das glaubt ihr alle.

Die wird ja mit dem Putzen nicht fertig.

Was macht denn die?

Könnt ihr nicht einmal mit etwas fertig werden?

Alles beginnt ihr, nie kommt ihr zu einem Ende. Stets sterbt ihr unterdes.

An mich denkt keiner dabei. Die stets neue Hoffnung, die stets neu enttäuscht wird.

Es ist nicht einfach. Was denkt ihr? Ihr könnt froh sein. U. badet doch nur im Frohsinn.

Irgendwann muss das Ding doch ausgelaufen sein.


A:

Ich bin euer …


M:

Fängt das schon wieder an.


A:

Jedenfalls wird es nie leer laufen.


F:

Ein Glück.


G:

Was redest du da? Gib mir meine Tabletten.


F:

Ich hab das Zeug weggeschmissen.


G:

Du dumme Schneeganz, über u. über besudelt. Ich verfluche dich. Du wirst nie zur Ruhe kommen. Du wirst, wie ich, nie den Boden unter den Füßen spüren. Du wirst schwach bleiben u. doch Starksein spielen müssen. Du wirst gebeugt sein, je mehr, je mehr du dich trotzig aufrichtest.

Ich lasse dich wieder Stühle zersägen.


A:

Der redet nur.


M:

Sie waren das? Ich erinnere mich. Ich hab jetzt noch Schwielen u. Blessuren an den Händen.


G:

Sei froh, dass du überhaupt was hast. Ich hätte euch nichts geben sollen. Ich hätte euch meine Qual erleben lassen sollen.


A:

Der redet nur.


M:

Ich steck dir gleich den Koffer ins Maul.


A:

Das darfst du nicht.


M:

Wenn du mein Ding bist, wie du immer wieder betonst, dann hilfst du mir.


A:

Nein, dann wäre ich nicht dein Ding.


M:

Du bist ja ein Pädagoge!


A:

Gott bewahre!


G:

Wusste ich doch, dass du umfällst.


A:

Verzeih!


F singt:

Ich ging in eine Bar, wo ich ihn stehen sah, er war einfach da u. war mir ganz nah.


A:

Stimmt.


M:

Wann denn?


G:

In der Nacht da…


M:

Das haben wir jetzt aber auch schon oft genug gehört.



G:

Stimmt.


A:

Das ist mein Text!


F lacht:

Ich bin froh, dass ihr da seid. Bald hab ich Schichtwechsel.


G:

Was soll das heißen? Der ganze Boden ist noch voll.


F:

Glaubst ich mach das rund um die Uhr? Alles hat seine Zeit.


A:

Das ist nicht von ihm.


G:

Das will ich nicht gehört haben.


A/F:

Doch.


F:

Doch, ich mach bald Schichtwechsel. Mein Eimer ist schon ziemlich voll.


A:

Ist noch ganz leer.


F:

Verrat nicht alles.


M:

Ich will dich küssen.

(leise) Dich umarmen. Dich halten. Halt mich. Ich bin kummervoll. Ein Kind. Ein weinendes Kind. Eine Larve. Eine hautlose Larve. Eine gekrümmte Reizhautlarve. Eine sich kringelnde Wimmerreizhautlarve. Könntest du mich lieben?


A leise:

Wer weiß das schon.


G zu M:

Du bleibst, wo du bist.


F:

Ich bin nicht hergerichtet.


G:

Bist du nie.


A:

Stimmt nicht. Sie ist immer hergerichtet. Sie ist immer schön. Unglaublich schön. Das kannst du nicht verstehen, das Unglaubliche. Du weißt nicht, was Schönheit ist. Sie ist nicht für dich hergerichtet. Aber sie ist es. Sie hat es lediglich vergessen.

Wenn ihr Haar fällt und sie den Kopf leicht neigt; wenn sie beleidigt schaut, wenn sie die Lippen zu einer Idee schürzt und wenn sie lacht; wenn sie spät in der Nacht lacht, dann ist sie schön. Unglaublich schön. Dann wird er zum Ungläubigen. Selbst wenn ihre Lippen schwarz vom Wein sind, ihre Zähne blau vom Tannin, ist sie schön. Selbst wenn sich die Spuren des Lebens in ihr Gesicht eingraben, ist sie schön. Ist sie schön wegen dieser Spuren. Selbst wenn sie sich gehen lassen sollte, nur noch kriechen u. sabbern sollte, wird sie schön sein. Selbst wenn sie hässlich ist, ist sie schön; selbst wenn sie in sich versunken ist, die Arme um sich verschlungen u. mit der ganzen Welt nichts zu tun haben will, ist sie schön. Wenn sie den Kopf schüttelt u. alle von sich weist, ist sie schön. Wenn sie sich heimlich etwas von ihm stielt, ist sie schön. Wenn sie ihn so gar nicht zu verstehen können glaubt, weil es ihr zu bekannt vorkommt, was er sagt, oder zu dumm, ist sie schön. Selbst wenn sie nicht schön sein will u. auch nicht schön ist, ist sie schön. Gerade dann ist sie schön. Das wirst du nicht verstehen. Diese Unglaublichkeit. Wozu braucht er dann noch einen Glauben, frage ich dich?

(pathetisch auf G zeigend)

Sie ist, so spreche ich, der ich stets wahr spreche, nicht für dich hergerichtet.


G:

U. für wen dann bittschön?


A:

Fü…


G:

Halts Maul. Ich weiß ja. Er aber nicht.


M:

Wer?


G:

Du bestimmt!


M:

Immer ich.


A:

Wenn er wüsste. Aber er weiß ja.


M:

Was.


A:

Alles.

Alles Wichtige zumindest.


F:

Ihr habt Probleme. Können wir bald los?


G:

Jetzt schon?


F:

Ja, die Zeit ist rum.


A:

Stimmt.


M:

Mir ist so komisch ums Herz.


G:

Fang jetzt nur nicht auch noch an zu reimen. Ihr nervt mich mit euren Gedichten.


A:

Weil sie nicht …


G:

Weil sie was?


A:

für dich …


G:

Ach, halt’s Maul.


A:

Hab keins. Bin nur ihr Ding.


G:

Das ich nicht lache. Das war immer schon ich.


A auf den Boden zeigend:

Das ist dein Ding.


G:

Wenn’s meins ist, kann sie’s auch wegmachen. Ich befehle es.


F:

Nein, zu spät, die Zeit ist um. Es wird Zeit, dass wir in den Heizungsraum gehen.


M:

Was wollen wir denn da?


A:

Durchbrennen.


F:

Ach, man muss nach der Heizung schauen. Sonst wird’s kalt u. ungemütlich.


G:

Mich friert. Das ist Gefrierflüssigkeit da auf dem Boden. Immer hat es mich gefroren. Ihr wisst ja nicht, wie das ist.


F:

Würdest du mal was arbeiten, würde dir auch warm. Aber wir schauen jetzt ja nach der Heizung.


A:

Ich will nicht mit. Ich weiß, was kommt. Das ist nicht mein Ding.


M:

Mitgehangen, mitgefangen. Außerdem bist du doch angeblich unser Ding, also kommst du mit. Ich schieb dich alter Freund.


A:

Pass auf, dass ich nicht abstürze.


M:

Keine Sorge. Langsam gewinn ich euch alle richtig lieb.


G:

Nein, die Liebe ist mein.


A:

Das ist mein Metier.


G:

Hä?


A:

Ach. nichts.


G:

Gut. Die Liebe ist mein.


F:

Nein. Nein. Nein.

(lacht)

Das weiß ich nun wirklich.


G:

Weiber.


M:

Sprich nicht so mit ihr.


G:

Du bist raus aus dem Spiel, also sei still.



A:

Stimmt nicht.


G:

Haltet doch alle einfach die Fresse.


A:

Du warst auch schon mal zitierfähiger.


G:

Was weißt du schon?


A:

Alles.


F:

So. Genug rumgealbert, Kinder.


A:

Stimmt.


F weint:

Schön war’s schon.


M:

Was ist nun schon wieder los.


F:

Nichts.


M:

Nie sagst du den Grund.


F:

Das ist nicht mein Ding.


A:

Aber ich.


F zu G:

Steh endlich auf.


G auf Zehenspitzen durchs Rot laufend:

So eine Scheiße.


A lacht:

Du warst wirklich schon mal besser.


G:

Ach, lass mich in Ruhe, du Arsch.

(rutscht aus, fällt hin)

So ein verdammter Scheiß.

Ich schmeiß den Koffer …


A:

Nein, das darfst du nicht.


G:

Ich weiß.


A:

Mein Text.


G:

Ich weiß.


A:

Mein Text.


G:

Ich weiß.


M tritt G ans Schienbein:

Weiter!


A:

Danke. Beinahe!


F:

Los jetzt.


A:

Lasst mich nicht abstürzen!


M:

Keine Sorge.


F singt:

Er stand an der Bar u. war einfach da, ich konnt nicht gehen, er konnt mich sehen u. als er mich sah, da war ich ihm nah.


A:

Usw.


M:

Kommt jetzt.


F leise:

Hört er mich?


M leise:

Ich hab’s gehört.


G leise:

So ein Scheiß.


A leise:

Stimmt.