Mittwoch, 15. Dezember 2010

1. Szene

Szene 1:


Auf der Bühne Stühle. Am linken Rand ein Stapel von Holzscheiten aus zersägten Stühlen. Mann (M) und Frau (F) auf dem Boden. Sie zersägen einen Stuhl. Am rechten Rand ein Automat in der Größe u. Form eines Getränkeautomaten. Darin eine Person (A). Hinten an der Wand sitzt Gott (G) auf einem Stuhl.


M:

Was ist los?


F weint:

Nichts. Mir ist was ins Auge gekommen.


M:

Glaub ich nicht. Du warst gestern schon so.


F:

Wie war ich? Wie war ich denn schon wieder?


M:

Na, gestern Abend im Restaurant. Du hast im Essen gestochert.


F:

Ich hab nicht im Essen gestochert. Ich habe ganz normal gegessen. Im Gegensatz zu dir. Du hast anscheinend lieber mir zugeschaut, als zu essen. Deine Kartoffeln waren nur noch Matsch. Dein Steak ein Schlachtfeld.


M:

Ich hab dir nicht zugeschaut. Aber es fiel auf. Du hast das Gemüse mit der Gabel sortiert. Fein säuberlich. Es fiel mir auf. Auch danach am Tresen.


F:

Nein. Nicht mehr als du. Außerdem hast du zu viel getrunken.


M:

Was willst du damit sagen?


F:

Nichts. Nichts will ich sagen. Halt gefälligst die Säge gerade. Sonst verklemmt das Blatt.


M:

Ist eine Scheißsäge.


F:

Sie ist von meinem Vater. Es ist eine gute Säge.



M:

Sie hat Macken.


F:

Du hast Macken.


M:

Lass uns eine Neue kaufen.


F:

Nein. Damit hat mein Vater gesägt. Hat Bäume zersägt. Große Bäume. Ich hab ihm geholfen. Er hat mir gezeigt, wie man Baumstämme schultert u. wie man Scheite spaltet. Wie man ein Feuer entfacht u. es am Brennen hält. Wir saßen vor dem großen Ofen u. starrten ins Feuer, betrachteten die Glut, das Aufglimmen u. Verlöschen. Hörten das Knacken des Holzes u. das Aufzischen des Harzes.


M:

Aber es gibt bessere.


F:

Ich will keine bessere.


M:

Du weinst schon wieder. Was ist los?


F:

Nichts


A:

Das Passwort ist korrekt. Sie sind eingeloggt.


M/F:

Wie bitte.


A:

Sie sind eingeloggt. Das Passwort ist korrekt.


M:

Was ist das denn für ein Ding? Ist das auch von deinem Vater?


F:

Ich kenn das nicht. Es stand doch schon immer da.


M:

Halt die Säge gerade.


A:

Das Programm startet. Bitte sprechen Sie jetzt.


M:

Was soll ich denn sagen?


F:

Dir fällt wieder nichts ein.


M:

Du musst es ja wissen. Hast du etwas gestern Abend etwas gesagt. Legtest die Bohnen in Reih und Glied u. schwiegst, als hättest du nie sprechen gelernt. Es war zum Lachen. Es war zum Weinen.


F:

Und du? Was war am See? Zweimal umrundeten wir den See u. du sagtest kein Wort.


A:

Der See ist die Trübung deines Lebens. Die meisten sprechen vergebens.


M:

Sehr lustig. Der Apparat ist ein Philosophiestudent.


A:

Durst ist die Trübung deines Lebens. Du trinkst das Wasser vergebens.


F:

Ich lach mich tot. Eine Reimmaschine.


A:

Die Säge streicht die Konkubine blau an und wird zur Liebesmaschine. Die Tränen sind die Nahrung von Schwänen.


F:

Etwas holprig noch.


A:

Ich lerne.


F:

Weißt du auch einen Reim auf die Liebe?


A:

Das ist der Befehl. Wie Sie wünschen. Keine Reime mehr. Bitte sprechen Sie.


M:

Warum keine Reime mehr?


A:

Liebe hat keinen Reim. Die Bäume stechen den Himmel. Die Erde ist sein Nagelbrett.


F:

Kann man den nicht ausstellen?


A:

Das ist nicht Ihr Wunsch.


F:

Woher willst du das wissen?


A:

Ich weiß alles.


F:

Wozu?


A:

Um es zu sagen. Sie sprechen ja nicht.


M:

So, du holpriger Philosophiestudentendichter, du weißt also alles. Sage mir, wer bin ich denn?


A:

Mann.


F:

Ha, dass ich nicht lache. Der u. ein Mann.


M:

Still. U. wer ist sie?


A:

Frau.


F:

Endlich sieht das mal jemand.


A:

Sie tut nur so.


F:

Wie bitte?


A:

Sie tun nur so.


M:

Wer? Sie?


A:

Nein. Sie.


F:

Wer? Ich?


A:

Nein. Sie beide.


M/F:

Wir?


A:

Ja.


M:

Woher willst du das wissen. Du bist nur ein Ding.


A:

Ich bin euer Ding.


F:

Du bist unser Ding? Jetzt haben wir’s. Jetzt haben wir ein Ding. Das ist ein Ding. Er hatte ja schon immer ein Ding. Zumindest vor seinen Freunden. Diesen sauberen Freunden. Ein Dingelchen da.

(F lacht)

Aber dass ich jetzt auch ein Ding haben soll. Das ist ein Ding.

Was bist du denn für ein Ding?


A:

Ich sagte es. Euer Ding.


M:

Ich hol die Axt.


A:

Ihr zerlegt die Möbel nicht wirklich.


F:

So meinst du. Und was ist das da?

(F zeigt auf die Holzscheide)

Es ist unsere Arbeit. Du hältst uns übrigens vom Arbeiten ab.


A:

Ihr arbeitet nicht. Ihr verweigert euch.


M:

Das wird immer besser. Aber habe ich es nicht gesagt. Wir brauchen eine neue Säge. Das Ding da sagt es. Wir verweigern uns. Das liegt an der gottverdammten Säge.


G hustet.


M:

Nur an dieser Scheißsäge. Das Ding weiß alles. Du hast es gehört. Das Ding hatte es gesagt.


F weint:

Es gibt keine neue Säge. Das ist die Arbeit. Es ist unsere Arbeit. Es ist eine gute Arbeit. Wir können davon leben. Wir sollten uns von dem Ding da nicht stören lassen. Wir sollten weiter machen. Sonst verlieren wir noch unsere Arbeit. Und was ist dann? Dann geht es uns wie den anderen.


M:

Hör auf mit der Flennerei. Warum weinst du überhaupt? Wegen der Arbeit? Die verlieren wir eh, wenn wir keine neue Säge besorgen. Was ist also los?


F:

Nichts.


M:

Ich frag das Ding. Was hat sie?


A:

Nichts.


M:

Du bist parteiisch.


A:

Ich bin neutral. Ich gehöre euch beiden. Ich bin euer Ding.


F die Tränen abwischend:

Und warum bist du da?


A:

Das wisst ihr. Sonst wäre ich nicht euer Ding.


F auf M zeigend:

Was denkt er?


A:

Nichts.


F lacht:

Das habe ich gewusst.


A:

Natürlich. Ich bin ja schließlich euer Ding.


M:

So. Ich denke also nichts. Das ist nicht nett von dir. Du bist nicht mein Ding.


A:

Doch, bin ich. Aber nett zu sein ist nicht Teil meines Programms. Ich bin euer Ding.


M:

Du könntest lernen. Du hast gesagt, du lernst.


A:

Wir werden sehen.


M:

U. warum meinst du also, dass ich nicht denke?


A:

Wegen ihr.


M:

Wegen ihr?


F lacht:

Wegen mir?


A:

Wegen dir.


M:

U. warum, mein liebes Ding, denkst du, dass ich nichts denke?


A:

Ich sagte es bereits: Wegen ihr.


M:

Gut. Lassen wir das. U. denkt sie?


A:

Ja.


F:

Siehst du!


M:

Ja.


A:

Nein.


M:

Was nein?


A:

Siehst du nicht.


M:

Wieso nicht?


A:

Du bist blind.


M:

Ich bin blind?


A:

Ja.


M:

Warum?


A:

Vor Liebe.


F:

Vor Liebe? Der u. Liebe. Dass ich nicht lache. Wir sind hier, um zu sägen.


A:

Nein.


F:

Ach, sind wir nicht? Warum nicht?


A:

Ihr zersägt die Stühle, auf denen ihr sitzt.


M:

Das ist doch unser Ding.


A:

Ich bin euer Ding.


G steht auf:

Was ist das für ein Lärm?


F:

Wir unterhalten uns.


G:

Ihr sollt doch sägen. Das ist nämlich Musik in meinen Ohren.


F:

Siehst du. Es ist Arbeit. Der da sagt es.


A:

Sagte er nicht. Außerdem weiß der da nichts. Er ist nicht euer Ding.


G:

Das ist die Höhe. Du bist nicht von mir.


A:

Stimmt. Ich bin ihr Ding, nicht deins.


F leise:

Lass uns wieder sägen!


M weinend:

Ich will nicht mehr.


F:

Was ist jetzt schon wieder los?


M:

Nichts.


F:

Glaub ich nicht. Ich frag unser Ding. Wozu ist es denn da? Dingsda, du Ding da, was ist los mit ihm?


A:

Nichts.


F:

U. warum weint er?


A:

Weil nichts los ist mit ihm.


G:

Ihr macht so unglaublichen Lärm. Mein Schädel brummt. Ich war die Nacht über saufen.


M:

Welche Nacht? Hier ist nie Nacht.


G:

Die Nacht davor.


M:

Welche Nacht davor?


G:

Die Nacht davor eben. Außerdem sollst du Gott nicht widersprechen. Deinem Gott geht es heute ein bisschen gar nicht so gut. Habe Erbarmen mit ihm.

(G lacht)


M:

Du bist nicht mein Gott.


G:

Mein Gott, mach halt nicht so einen Lärm.


F auf M zeigend:

Ach, ist er jetzt dein Gott?


A:

Nein.


M:

Wer hat dich gefragt?


F auf G zeigend:

Bist du mein Gott?


G:

Natürlich.


A:

Nein.


F:

Sei still. Ich hatte noch nie einen Gott.


A:

Eben. Aber ein Ding.


F lacht:

Auch nicht. Ich bin doch eine Frau.


A:

U. ich bin dein Ding. Dein sprechendes Ding.


F:

Ich bin aber schon ein großes Mädchen. Ich kann selber sprechen.


A:

Nein.


F:

Mein Gott, du nervst.


G:

Ich hab nichts gemacht.


F:

Du bist auch nicht mehr mein Gott.


G:

Willst du mich traurig machen. Ich bin eh schon so allein. Es ist schwer, ein Gott zu sein.

(G weint)


A:

Das ist geklaut.


G:

Gott darf alles.



M:

Mein Gott, hör auf zu flennen.


F:

Er erinnert mich an jemanden.


M:

An wen?


F:

Psst. Nicht so laut.


A:

An …


F:

Halt’s Maul!


A:

Du bist nicht nett zu deinem Ding.

(A weint)


M:

Jetzt fängt der auch noch an. Was ist los?


A:

Nichts.


G:

Nichts.


M:

Das kommt mir bekannt vor.


F:

Doch. Ich kenne dich, Gott. Ich hab dich schon mal gesehen.


G:

Ich weiß, mein Kind.


M:

Wie, du kennst den alten, verrückten Sack?


G:

Du kennst mich auch. Ich bin nämlich eure Liebe.


M:

Mein Gott, das kannst du den Kindern erzählen.


F weint


M:

Du nicht auch schon wieder. Was ist los?


F:

Nichts.


A:

Nichts.


M:

Dich hab ich nicht gefragt.


A:

Aber du wolltest.


M:

Woher willst du das wissen?


A:

Ich weiß alles.


M:

Dann weißt du sicher auch, ob er Gott ist.


A:

Ja.


M:

Witzbold. Und? Ist er’s?


A:

Er ist nichts.


M:

Was nun?


A:

Er ist Nichts.


M:

Also nicht Gott. Dann können wir nämlich endlich aufhören zu sägen.


A:

Er ist Gott.


F:

Mein Gott.


M:

Ich dachte, er sei Nichts?


A:

Du denkst nicht. U. er ist Nichts. Ich sagte es bereits. Deshalb denkst du nicht.


G:

Ich bin aber die Liebe.


A:

Nein.


G:

Doch.


A:

Nein.


F:

Hört auf zu streiten. Helft uns lieber, die Stühle zu zersägen.


G:

Ein Gott macht so was nicht.


A:

U. ich bin euer Ding. Ich säge nicht.


F:

Ich säg dich gleich auseinander. U. du, du erinnerst mich an meinen Vater.


G:

Kind, ich bin dein Vater. Ich gab dir die Säge.


M:

Das ist ja ein Ding.


A:

Nein, ich bin euer Ding. Die Säge ist nicht von ihm.


G schlägt F auf den Arsch:

Natürlich ist die Säge von mir. Das ist mein Ding. U. ihr beide müsst es mir machen, besorgen, richtiggehend u. ununterbrochen. Ich bin die Liebe. Also Schluss der Debatte. Ich habe Schädelweh. Sägt wieder. U. du

(G zeigt auf A)

du bist ganz u. gar nicht mein Ding.


A:

Stimmt.


M:

Säg dir doch selber einen, du alter, verrückter Sack. Du schmieriges Stück Scheiße.


G lacht:

So seid ihr immer. Dann gib schon her. Du wirst sehen, was du davon hast.

(G nimmt die Säge. Hält sie F hin)

Komm, greif zu.


F:

Du musst aber die Säge gerade halten.


G u. F sägen


F weint


M setzt sich auf Gs Stuhl


G:

Fester.


A:

Das ist das Passwort. Ich deaktiviere mich.


G:

Endlich hält der sein Maul. Los, mach fester.


F:

Ich kann nicht mehr.


G:

Stell dich nicht so an. Gestern Nacht konntest du auch.


F:

Welche Nacht?


G:

Die davor.


F:

Ich erinnere mich an keine Nacht.


G:

Aber ich.

(G lacht obszön)


F weint


G:

Warum weinst du? Was ist los?


F:

Nichts. Mir ist etwas ins Auge geflogen.

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