Mittwoch, 15. Dezember 2010

4. Szene

4. Szene:


Ein leerer Raum. An der hinteren Wand ein Tisch, darauf ein Campingkocher. Darunter die zersägten Stühle.


F:

Wie geht’s dir?


M:

Wenn es besser ginge, wäre es nicht zu ertragen.


F:

Ach, hör auf! Du.


M:

Ich kann nicht.


A:

Stimmt.


F:

Hört doch auf.


A:

Ich kann nicht.


G:

So ein Scheiß. Es tut so weh.


F:

U. du hörst erst recht auf.


G:

Ich kann nicht.


A:

Stimmt. Wir müssen brennen.


G:

Ich kann nicht.


A:

Du wirst es müssen.


G:

Ich lief durch viele Feuer u. sie sind alle erfroren.


M:

U. ich lief ihr immer hinterher. Ich war immer da u. doch hat sie’s nie gemerkt.



F:

Ich hab’s immer gewusst.


A:

Stimmt.


M:

Was weißt du?


A:

Ich bin euer …


G:

Ja. Ja.


M:

U. worum geht es die ganze Zeit?


A:

Immer um dasselbe.


F:

Ich weiß.


G:

Das ist doch sein Text.


A:

Stimmt ausnahmsweise nicht.


M:

Was machen wir hier?


A:

Durchbrennen.


G:

Immer stand ich auf Gluten u. sie glühten wie Eis.


A:

Sie waren aus Eis. Wie dein Herz.


G:

Was weißt du von meinem Herzen?


A:

Ich weiß alles.


G:

Ich vergaß.


M:

So verständig. Das passt gar nicht zu dir.


G:

Was weißt du denn?


F:

Aber ich weiß es.


G:

Jetzt fängst du auch noch an.


A:

Ihr wollt mich nicht mehr.


G/F/M:

Doch

(Sie streicheln den Kasten)


A:

Hört auf. Ich stürze ab.


F:

Wir stürzen alle ab.


G:

Ich stürze immer schon ab. Das ist mein Metier.


M leise:

U. ich stürze in ihre Arme.


F leise:

Wenn er nur käme.


M:

Wir sind alle so hilflos.


A:

Stimmt nicht. Ihr wisst stets, was zu tun ist.


G:

Aber sie tun es nicht.


A:

Stimmt nicht.


F:

Was sollen wir tun?


M:

Ich wüsste was.


F:

Was?


M:

Sag ich nicht.


A:

Daran liegt’s.


G:

Sag ich ja.


M:

Ach, was wisst denn ihr?


A/G:

Wir werden sehen.


F leise noch einmal:

Wenn er nur käme!


A:

Er ist längst gekommen.


F:

Davon merke ich nichts.


A:

Stimmt nicht. Erinnere dich. Weißt du nicht mehr? Ihr sägtet euer Leben klein.


F:

Was du redest.


G:

Das war doch meine Idee.


A:

Du warst auch nur Teilnehmer.


G:

Nein.


A:

Doch. Du spielst wie sie alle.




F:

Ich spiele nicht. Das Leben ist zu ernst. Wisst ihr nichts anderes zu reden? Immer der gleiche Scheiß.

G:

Meine Worte.


A:

Stimmt nicht.


M:

Kinder, streitet nicht. Wir müssen die Heizung einschalten.


G:

Ich stapfte durch rauchendes Fleisch u. es wärmte mich nicht. Ich häufte mehr u. mehr zuckendes Fleisch an. U. es wärmte mich nicht. Dann wurde ich dem überdrüssig u. ließ Sonnen zerplatzen. U. es wärmte mich nicht. Dann vertrieb ich den (auf M zeigend) u. es wärmte mich nicht. Mich friert. U. ich bin allein.


F:

Ach, du armer Teufel.


G:

Gott bewahre.


A lacht, lacht laut u. scheppernd.


M:

Ihr vergesst, warum wir hier sind.


F:

Seit wann kümmerst du dich um was?


M:

Ich kümmerte mich stets. Ich bekümmerte mich stets. Wenn du gingst, hatte ich Angst, dass du hinfällst. Wenn du standest, hatte ich Angst, dich träfe ein Stein. Wenn du sprachst, hatte ich Angst, du tötest dich mit Worten. Wenn dein Herz schlug, hatte ich Angst, es könnte aufhören.

Gern hätte ich es gesagt. Aber du wolltest es nicht.


F:

So, jetzt bin ich dran Schuld.


G:

Ihr alle seid Schuld.


F/A/M:

Der Spruch zieht nicht mehr.


G:

Ihr seid gemein.


A:

Du hast es so gewollt.


G:

Du lügst.


A:

Ich lüge nie.


M nimmt F an die Hand:

Komm.


F:

Endlich.


A:

Es wird enden.


G:

Es endet nie. Ich lief durch Stahlgewitter und …


A:

Das ist geklaut.


G:

Ich fühle mich so alt.


A:

Du bist alt.


M:

Ich fühle mich jung.


F:

Ich auch.


A:

Ihr seid jung. Ihr beginnt erst.


M:

U. du?


A:

Ich bin dabei. Ich bin euer Ding. (weint)


G/F/M:

Was ist denn jetzt los?


A:

Nichts.


G:

Du lügst.


A:

Ich lüge nie.


G:

Dann sag, was los ist.


A:

Nichts.


F:

Das ist mein Text.


A:

Stimmt nicht. Es war dein Text.


F:

Ich sage nichts.


A:

Du wirst reden. Aber es ist nur für seine Ohren bestimmt.


F:

Gleich heule ich.


M:

Nein. Bitte. Ich kann das nicht sehen.


F:

Du siehst mich eh nicht.


M leise:

Ich sah dich immer schon. Selbst als ich dich das erste Mal sah, hatte ich dich immer schon gesehen. Wie soll ich sagen: Du warst mir: Vertraut.


A:

Stimmt.


F:

Ach, Worte.


G:

Ja, Worte.


M:

Worte!



F:

Wärst du nur gekommen!



M:

Ich war da.


F:

Stimmt.


G:

Kinder, ihr habt noch alle Zeit der Welt. Wir müssen noch was erledigen.


M:

Wie bist du denn plötzlich drauf? So kenn ich dich gar nicht.


G in Pose:

Keiner kennt mich.


A:

Ja. Ja.


F:

Fallt euch alle doch in die Arme.


A/G/M:

Noch nicht.


F:

Wann dann?


A:

Bald.


M:

Bald.


G:

Ohne mich.


A:

Mitgegangen, mitgefangen.


M:

Das war mein Text.


A:

U. ich bin dein Ding. Schon vergessen? Also.


M:

Ja. Ja.


A:

Siehst du?


F:

Ihr werdet euch nie ändern.


A:

Doch. U. du bist der Grund.


F:

Ich? Warum?


A:

Sag ich nicht.


F:

Warum nicht?


A:

Weil ich dein Ding bin.


G lacht, lacht laut u. tosend.


M:

Du kannst lachen?


G:

Ich hab’s erfunden. Ihr wart so lächerlich.


A:

U. sie haben dich erfunden. Deshalb warst du so lächerlich.


G:

Du bist auch nur eine Erfindung.


A:

Eben. Ich bin ihr Ding.


G:

U. du bist auch lächerlich.


A:

Ich gab ihnen aber keinen Grund zum Lachen.


G:

Auch wieder wahr.


M:

Stimmt nicht.



F:

Kinder, hört auf. Wie haben noch was vor.


G:

Nur mit der Ruhe.


M:

Das sagst ausgerechnet du.


G:

Was habt ihr eigentlich vor?


M:

Das weißt du doch.


G:

Ich hab’s vergessen.


F:

Du wirst alt.


G:

Ich bin jung wie die Blüte am Morgen.


A:

Achherrje.


G:

Ja, bitte?


A:

Nichts.


F:

Los.


M:

Hast du Streichhölzer?


F:

Die hast du doch, das ist deine Rolle.


M:

Jetzt plötzlich.


A:

So sind sie nun mal.


G:

Ich hab welche.



A/F/M:

Du?


G:

Schaut nicht so blöd. Was denkt ihr denn?


A:

Sollten wir uns nicht an den Händen nehmen oder irgendsoetwas?


G:

Wie soll das denn gehen? Welche Hände? Du hast keine. U. du willst alles wissen?


A:

Kein Problem. Hier ist alles möglich. Du glaubst auch nur, was du siehst.

(streckt zwei Hände aus)


G:

Ich glaub’s ja nicht.


A:

Ist schließlich dein Ding.


F:

Kinder, streitet nicht. Ja, nehmen wir uns an den Händen. Wir haben nichts Besseres gelernt.


M:

Das ist kitschig!


F:

Kitschig ist die Liebe am Abend u. kitschig ist die Liebe am Morgen.


M:

Worte.


F:

Was bleibt sonst?


G:

Wir jedenfalls nicht. Ihr wart immer kitschig. U. so rührselig. U. so verheult. U. ich weiß nicht warum. Was war los?


A/F/M:
Nichts.


G:

Das konnte ich mir denken.


A:

Du denkst nicht.


G:

Du auch nicht.


A:

Stimmt


M zu F:

Ich wollt dir noch was sagen.


F:

Ich weiß


M:

Also


F:

Ich weiß.


M:

Was weißt du?


F:

Ich wusste es immer. Das war das Schlimme.


M:

Das war es also.


F:

Ja. Nein. Was weiß ich.


A:

Ihr wisst nichts.


G:

Das sagen sie ja andauernd.


A:

Du auch.


G weint:

Ich weiß.


A:

Was ist jetzt los? Du versaust noch alles mit deinen Tränenfluten.


G:

Nichts. Lass mich in Ruhe.


A:

Gleich.



M zu F:

Ich will nicht, dass du mich in Ruhe lässt.


F:

Ich lass dich nie in Ruhe.


M:

Aber unser Ding sagte doch …


F:

Der meinte nicht uns. Wir lassen uns nie in Ruhe.


A:

Stimmt.


G:

Los jetzt.


G nimmt das Streichholz


F dreht das Gas auf:

Endlich.


A/F/M:

Los, zünd an.


G:

Ja. Ja.


G zündet an.


F:

Ich hab Lust.


M:

Ich auch.


A:

Stimmt.


G/A/F/M:

Los, lasst uns durchbrennen!


Alle vier rennen von der Bühne.


Feuer wird auf alle Wände projiziert.


Aus dem Off: Highway to hell von AC/DC


Ende

©Klaus Peter Buchheit

Augsburg 2005

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